Das DVD-Video-Format: Aufbau und Konzepte
Video-DVDs sind prinzipiell nur DVD-ROMs mit einem
festgelegten Verzeichnis- und Dateiaufbau. Doch hinter der simpel
erscheinenden Fassade stecken hochkomplexe Strukturen.
Bei CDs benutzt jedes Format eine andere Struktur: Die
Audio-CD kommt sogar ganz ohne Dateisystem aus, für CD-ROMs
stehen gleich mehrere Dateisysteme zur Auswahl, von ISO bis
Joliet. Die DVD-Formate setzen dagegen alle grundsätzlich auf
demselben Dateisystem auf; Video-DVDs sind letztendlich nichts
anderes als DVD-ROMs mit einem festgelegten Verzeichnis- und
Dateiaufbau.
Das Wiedergabegerät erkennt eine DVD-Video daran, dass sie
ein Verzeichnis mit dem Namen VIDEO_TS enthält. In diesem
Verzeichnis stehen alle für die Wiedergabe relevanten Dateien.
Im Verzeichnis VIDEO_TS kommen Dateien mit drei Dateiendungen
vor: Zu jeder Indexdatei mit der Erweiterung .IFO
gibt es ein gleichnamiges Backup mit der Endung .BUP.
Die eigentlichen Videodaten - also auch sämtliche Menüs und
Standbilder - stecken in Dateien mit der Endung .VOB;
das Kürzel steht für Video Object.
Ins VOB geschaut
Neben den Videodaten enthalten VOB-Dateien auch
Audio-Informationen, Subpictures und Navigationsbefehle.
Subpictures sind Bitmaps mit zwei Bit Farbtiefe, die einfache
Grafiken oder Untertitel enthalten können. Ein typisches
Beispiel für Subpictures sind die halbtransparenten
Auswahlmarkierungen in DVD-Menüs. Die VOB-Datei speichert all
diese Daten parallel, neben dem Bild bis zu acht Audiospuren,
maximal 32 Subpictures sowie Informationen zur Navigation.
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DVD-Videos speichern alle Video- und Audioströme
in Video Objects mit der Dateiendung .VOB.
Ein VOB teilt sich in Interleaved Video Units (ILVU), die
wiederum aus Video Object Units (VOBU) bestehen. Die
darin enthaltenen Groups Of Pictures (GOP) fassen die
eigentlichen Video- und Audioströme paketweise zusammen. |
Die VOBs bestehen aus Interleaved Video Units (ILVU), die sich
wiederum aus Video Object Units (VOBU) zusammensetzen. VOBUs
bestehen ihrerseits aus einem Navigationspaket (NV_PCK) und einer
Group Of Pictures (GOP), den eigentlichen Rohdaten. Das NV_PCK
enthält Positionierungsdaten und informiert den Player unter
anderem über mögliche Sprungmarken und enthält diverse
Timing-Informationen. Die GOP teilt sich in 2 KByte große
Datenpakete, die der Demultiplexer des Players wieder zu
kontinuierlichen Datenströmen zusammenfügt: Video-Packs
(V_PCK), Audio-Packs (A_PCK) und Subpicture-Packs (SP_PCK) -
siehe auch das obere Schaubild auf der folgenden Seite.
Die GOP-Einteilung ergibt sich aus der Struktur der
Videodaten. Das MPEG-2-Kompressionsverfahren begrenzt die
Differenzbildung zwischen Einzelbildern (gespeichert in
Predictive bzw. Bidirectional Frames) innerhalb eines GOP; so
beginnt jedes GOP mit einem I-Frame (Intra-Frame) und endet
üblicherweise vor dem nächsten I-Frame. Bei den meisten
Authoring-Programmen enthält ein ILVU ein VOBU und dieses
wiederum ein GOP. Ein typisches VOBU dauert zwischen einer halben
und einer Sekunde und enthält zwischen 15 und 60 Bilder.
Die Notwendigkeit der Zwischenstrukturebene ILVU erschließt
sich erst bei einer Sonderspielart der DVD, der
Multi-Angle-Präsentation. Über einen Knopf auf der
Fernbedienung kann der Betrachter der DVD bei fortlaufendem Ton
interaktiv zwischen mehreren Kamerawinkeln wählen. Dazu liegen
die Winkel in kleine Brocken sequenziert nacheinander im
Videodatenstrom, bei drei Winkeln etwa als
W1a,W2a,W3a,W1b,W2b,W3b,W1c,W2c,W3c. Wählt der Benutzer das
zweite Angle aus, überspringt der Player die Blöcke für den
ersten und dritten Winkel und gibt nur W2a,W2b,W2c wieder. Um
Unterbrechungen zu vermeiden, werden die Blöcke in ILVUs
eingeteilt - diese müssen einerseits groß genug sein, um den
Datenpuffer des Players ausreichend zu füllen, andererseits
klein genug, dass beim Umschalten keine langen Verzögerungen
entstehen. Im Regelfall kümmert sich die Authoring-Software
selbstständig um die Aufbereitung der ILVUs.
Verkettungen
Zur Navigation greift der DVD-Player nicht direkt auf die
Videodaten zu, sondern nimmt den Umweg über logische Einheiten
(siehe mittleres Schaubild). Dazu gruppiert die
Authoring-Software die Videodaten in Program Chains (PGC), die
mittels PRE- und POST-Kommandos verknüpft sind. Program Chains
teilen sich in Programs (PG) auf, die aus Zellen (Cells)
bestehen. Cells fassen wieder VOBUs zusammen - erst hier kommen
die physikalische Einteilung und die Navigationsstruktur auf
einen gemeinsamen Nenner. Für den DVD-Player ist das VOBU die
kleinste ansteuerbare Einheit - beim schnellen Vor- oder
Rücklauf springt der Player beispielsweise von VOBU zu VOBU.
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Die Navigationsstruktur der DVD teilt sich in
Program Chains (PGC), deren Programs meist den Kapiteln
eines Films entsprechen. Erst die Zellen der Programme
verweisen direkt auf die Dateihierarchie, nämlich auf
die VOBUs. |
Der Betrachter der DVD-Video bekommt von der
Navigationsstruktur wenig mit, da der DVD-Standard eine weitere
Abstraktionsebene dazwischenschaltet: die Titelsuchstruktur
(siehe Bild rechts unten). Dessen zentrale Einheit ist der Video
Manager (VMGM), der in den Dateien VIDEO_TS.IFO und VIDEO_TS.VOB
unterkommt. Der VMGM zeigt dem Player mit einer
Autoplay-Anweisung, an welcher Stelle er mit der Wiedergabe
beginnen soll - üblicherweise die FSK-Warnung oder die
Logo-Animation des DVD-Herstellers. Von dieser aus springt der
Player dann meist ins Hauptmenü, das Zugriff auf die Titel (TT)
der DVD bietet. Ebenso wie der Video Manager finden auch die
Titel ihre Entsprechung in der Dateistruktur als Kombinationen
aus .IFO- und .VOB-Dateien. Die Strukturinformationen und das
Menü für einen Titel befinden sich in den Dateien VTS_nn_0.IFO
und VTS_nn_0.VOB, wobei nn ein zweistelliger
Zahlenwert ist. Der eigentliche Inhalt der DVD, also der Film
oder die Fernsehserie, findet sich in Dateien mit der Bezeichnung
VTS_nn_m.VOB - zusammen bilden sie ein Video Object
Set (VOBS).
Da Video-DVDs nicht nur zum UDF-Dateisystem, sondern auch zu
ISO 9660 konform sind, können Dateien maximal 1 GByte groß
sein. Da bei abendfüllenden Spielfilmen deutlich größere
Datenmengen anfallen, splittet die Authoring-Software die
Videodaten in Gigabyte-große Blöcke; die einstellige Zahl m
nummeriert die zusammengehörenden VOB-Dateien durch.
Eine DVD fasst bis zu 99 Titel; jedes Video Title Set (VTS)
verwaltet bis zu 999 Program Chains. Jede PGC kann ihrerseits bis
zu 99 Programs fassen. Für Menüs gibt es keine Beschränkung,
da diese Navigationshilfen nicht 1:1 an den Dateiaufbau gebunden
sind. Die meisten Video-DVDs besitzen neben einem Hauptmenü auch
eines zur Auswahl der Audiospur (Sprache) und des Subpicture
(Untertitel) sowie zur direkten Ansteuerung bestimmter Bereiche
(Kapitelanwahl).
Sprach- und Untertitelmenüs setzen Variablen, anhand derer
der DVD-Player bei der Wiedergabe zwischen den verfügbaren
Sprach- und Subpicture-Strömen auswählt. Dabei lassen sich mit
einem Menüpunkt durchaus auch mehrere Variablen festlegen, etwa
dass bei der Anwahl einer Fremdsprachenspur auch gleich
Untertitel eingeblendet werden sollen. In teuren
Authoring-Anwendungen kann man sogar ganze Skripte an Menüpunkte
knüpfen, beispielsweise zufällige Auswahlen und Ähnliches.
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Die Titelsuchstruktur zur Ansteuerung einer
Video-DVD entspricht nur teilweise dem Navigationsaufbau.
Der zentrale Video Manager verwaltet die DVDs in Titeln,
deren Teile (Parts Of Title) auf die Programs innerhalb
der Program Chains verweisen. |
Das Kapitelmenü teilt die DVD in Parts-of-Title (PTT) ein.
Üblicherweise entspricht eine PTT einem Program, sodass die Wahl
des vierten Kapitels in das vierte Program der PGC des
gewünschten Films springt. Diese Entsprechung ist aber keine
Pflicht: Die Kapitelsprungtasten des DVD-Players wechseln
nämlich nicht zwischen PTTs, sondern zwischen Programs. Wer
will, kann also vom Menü aus eine grobe Anwahl von
Filmabschnitten anbieten und diese dann durch Program-Einteilung
weiter verfeinern.
Genaue Details zu den DVD-Spezifikationen bietet das
standardgebende DVD Forum gegen 5000 Dollar und eine
Vertraulichkeitserklärung an. Eine preiswertere Quelle für
tiefgehende Informationen bietet das Buch DVD Demystified
von Jim Taylor. Für das bloße Authoring reicht meist
die Online-Hilfe der jeweiligen Software aus.
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